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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 03.07.2001
Aktenzeichen: 6 U 128/98
Rechtsgebiete: EGBGB, ZGB, ZGB/DDR, ZPO


Vorschriften:

EGBGB § 1
ZGB §§ 197 ff.
ZGB/DDR § 82 ff.
ZGB/DDR § 93
ZGB/DDR § 330 ff.
ZGB/DDR § 198 Abs. 1
ZGB/DDR § 82 Abs. 1
ZGB/DDR § 341
ZGB/DDR § 337 Abs. 1
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 344
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
6 U 128/98 Brandenburgisches Oberlandesgericht 6 O 330/97 Landgericht Potsdam

verkündet am 3.7.2001

Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwenke und die Vorsitzende Richterin am Landgericht Eberhard aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Das am 30.3.1999 verkündete Versäumnisurteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts wird aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.4.1998 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam -- 6 O 330/97 -- wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz. Die bis zum 30.3.1999 einschließlich entstandenen Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Die danach entstandenen Kosten trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagte um 29.992,00 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Auf den zulässigen Einspruch der Klägerin war das Versäumnisurteil des Senates vom 30.3.1999 aufzuheben. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe zu. Der entsprechende Anspruch ergibt sich aus den §§ 197 f., 82 ff., 93, 330 ff. ZGB/DDR.

Zwischen den Parteien bestand ein Vertrag über die Verwaltung des im Eigentum der Klägerin stehenden, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks D. in L. Dieser Vertrag war -- wie das Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils von den Parteien unbeanstandet ausgeführt hat -- bereits im Jahre 1986 abgeschlossen und erst am 31.12.1996 beendet worden. Aus diesem Grunde sind auf das Vertragsverhältnis der Parteien gemäß Art. 232 § 1 EGBGB die §§ 197 ff. ZGB anzuwenden.

§ 198 Abs. 1 ZGB/DDR erlegt dem Auftragnehmer, der die Besorgung von Vermögensangelegenheiten übernommen hat, die Pflicht auf, die vereinbarte Leistung so zu erbringen, daß sie den üblichen Anforderungen entspricht, die nach dem Zweck des Vertrages an die Leistung zu Stellen sind. Erfüllt er diese Pflicht nicht, ist er dem Vertragspartner gemäß § 82 Abs. 1 ZGB/DDR materiell verantwortlich. Solche Pflichtverletzungen fallen hier der Beklagten zur Last.

Die Beklagte hat es zum einen pflichtwidrig versäumt, die Klägerin davon zu unterrichten, daß das in ihrem Eigentum stehende Gebäude mit ihr, der Beklagten, zugestelltem Bescheid vom 1.4.1993 unter Denkmalschutz gestellt worden ist. Weiter hätte sie sie darüber informieren müssen, daß sich das Gebäude mit dem Inkrafttreten der Sanierungssatzung der Stadt L. für das Sanierungsgebiet "P." am 7.3.1996 in einem Sanierungsgebiet befindet. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, die Klägerin habe sich die dafür notwendige Kenntnis selbst verschaffen müssen, eine Pflichtverletzung liege mithin gar nicht vor bzw. der Klägerin falle ein Mitverschulden an dem Eintritt des behaupteten Schadens gemäß § 341 ZGB/DDR zur Last. Der Grundstückseigentümer, der die Verwaltung seines Eigentums einem Hausverwalter vor Ort überläßt, will sich gerade nicht selbst um die Belange seines Hauses kümmern müssen. Dies soll der Hausverwalter für ihn übernehmen. Dafür erhält er auch eine Vergütung. Angelegenheiten, die zum Alltag einer Verwaltung gehören, braucht der Verwalter dem Eigentümer nicht unverzüglich mitzuteilen, sondern kann dies am Ende eines Abrechnungszeitraums tun. Anders ist es mit den hier in Frage stehenden Ereignissen. Sie sind derart ungewöhnlich, daß die Beklagte sie zum Anlaß hätte nehmen müssen, die Klägerin unverzüglich zu informieren. Es war die Beklagte, der der Bescheid der Denkmalschutzbehörde zugestellt wurde. Ihr als ortsansässiger Hausverwaltung mußten auch die Pläne der Stadtbekannt geworden sein, das Gebiet, in dem sich das verwaltete Gebäude befand, zum Sanierungsgebiet zu erklären. Dadurch, daß die Beklagte diese Informationen nicht an die Klägerin weiterleitete, hat sie es der Klägerin von vornherein unmöglich gemacht, gegen den Denkmalschutzbescheid ein Rechtsmittel einzulegen oder sich an der Anhörung der durch die Pläne der Stadt zur Einrichtung eines Sanierungsgebietes betroffenen Bürger zu beteiligen.

Die Klägerin kann wegen dieser als Pflichtverletzungen zu wertenden Unterlassungen Schadensersatz beanspruchen. Der Umfang der Schadensersatzpflicht bei Vertragsverletzungen richtet sich nach den §§ 93, 330 ff. ZGB/DDR. Die Klägerin ist gemäß § 337 Abs. 1 ZGB/DDR so zustellen, als wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Dabei ist eine hypothetische Betrachtung anzustellen.

Die Klägerin hätte, wenn sie von der Beklagten ausreichend unterrichtet worden wäre, einen Betrag in Höhe der Klageforderung als Fördermittel aus dem Bund-Länder-Programm Stadterneuerung im Rahmen der Städtebauförderung von der Stadt L. erhalten. Der Klägerin sind durch die pflichtwidrige Unterlassung der Beklagten diese Fördermittel entgangen. Darin liegt ihr Schaden, den ihr die Beklagte zu ersetzen hat.

Der Senat geht davon aus, daß die Klägerin, wenn sie über die Denkmaleigenschaft ihres Hauses und dessen Lage im Sanierungsgebiet informiert worden wäre, nicht ohne weiteres Dachdeckerarbeiten in Auftrag gegeben hätte, sondern sich vorher bei der Stadt L. über etwaige Auflagen erkundigt hätte. Dabei hätte sie von der Möglichkeit der Gewährung von Fördermitteln erfahren. Diese Fördermittel hätte sie für die Dacheindeckung auch erhalten. Dies steht angesichts des Ergebnisses der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senates fest.

Aus der vom Senat eingeholten amtlichen Auskunft der Stadt L. vom 7.9.2000 ergibt sich zunächst, daß die Dacheindeckung, wie von der Klägerin vorgenommen, für sich genommen nicht förderfähig gewesen wäre, weil ihr städtebaulicher Effekt für die Gewährung von Fördermitteln als zu gering angesehen wird. Vielmehr hätte die Klägerin nur dann Fördermittel für die Dacheindeckung erhalten, wenn sie gleichzeitig -- nach einer entsprechenden Beratung -- auch eine Fassadensanierung vorgenommen hätte. Weiter wäre Voraussetzung für eine Förderung gewesen, daß das Haus der Klägerin in die Prioritätenliste der Stadt aufgenommen wird.

Der Senat ist davon überzeugt, daß die Klägerin die Dachdeckerarbeiten auf eine entsprechende Beratung hin zusammen mit einer Fassadensanierung durchgeführt hätte und in den Genuß von Fördermitteln für beide Maßnahmen gekommen wäre.

Bei der Frage, ob die Klägerin auf eine entsprechende Beratung hin die Dacheindeckung bis zur Fassadensanierung zurückgestellt hätte, ist darauf abzustellen, wie sich ein vernünftiger Grundstückseigentümer in ihrer Situation verhalten hätte. Dabei kann davon ausgegangen werden, daß jeder Grundstückseigentümer -- wenn er Fördermittel in Höhe von 40 % der förderfähigen Kosten hätte erhalten können -- die notwendigen Schritte für den Erhalt einer solchen Förderung unternommen hätte. Da die Klägerin die Fassadensanierung wenig später tatsächlich auch durchgeführt hat, besteht kein Grund zur Annahme, die Klägerin hätte, entsprechend beraten, die Dacheindeckung und die Fassadensanierung nicht zusammen durchgeführt.

Daß die Klägerin in der Lage gewesen wäre, beide Maßnahmen zusammen durchführen zu lassen, ist zwar bestritten worden. Da die Klägerin wirtschaftlich in der Lage war, beide Maßnahmen zwar getrennt voneinander, aber in zeitlich nicht übermäßigem Abstand durchzuführen, spricht jedoch alles dafür, daß sie auch eine gemeinsame Durchführung hätte finanzieren können. Im Hinblick darauf ist das Bestreiten der Beklagten als ein Bestreiten ins Blaue anzusehen.

Weiter ist davon auszugehen, daß die Stadt L. die Dacheindeckung des Hauses D. zusammen mit der Fassadensanierung als förderfähig angesehen hätte. Hierfür spricht, daß das Haus der Klägerin in die Prioritätenliste der Stadt L. vom 25.8.1998 (Bl. 232--233 d. A.) aufgenommen worden ist. Weiter spricht dafür, daß die Sanierung der Fassade dann tatsächlich mit 40 % der Kosten mit einem Förderbetrag von 77.024,00 DM gefördert worden ist. Dafür, daß das Dach überhaupt nicht hätte gedeckt werden müssen, weil es nicht schadhaft gewesen sei, wie die Beklagte wohl in ihrem Schriftsatz vom 25.6.2001 behaupten will, ist nichts ersichtlich. Das Haus war zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin mit den Dacheindeckungsarbeiten begann, in einem Zustand, der eine Sanierung nach städtebaulichen Gesichtspunkten erforderlich erscheinen ließ. Dies ergibt sich mit unmißverständlicher Klarheit aus dem Schreiben der Stadt L. vom 3.4.1997 an die Bevollmächtigte der Klägerin, in dem ein vorläufiger Baustop angekündigt wird. Dort heißt es wörtlich, daß die Stadt, die Dacheindeckung "im Grundsatz (begrüße)", da "die Unzufriedenheit der Mieter mit dem Zustand des Hauses seit Jahres bekannt" sei. Weiter wird ausgeführt, daß die Stadt L. "daran interessiert (sei), daß der Bauzustand" des "Hauses -- unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer und städtebaulicher Belange -- verbessert wird."

Als bewiesen muß auch angesehen werden, daß ausreichend Fördermittel für eine entsprechende Förderung vorhanden gewesen wären. Das Haus der Klägerin ist auf ihren Antrag sofort in die Prioritätenliste der Stadt L. vom 25.8.1998 (Bl. 229 d. A.) aufgenommen worden. Da es nicht das letzte Haus in dieser Liste war, ist davon auszugehen, daß es vor dem nachfolgenden Haus Priorität genossen hat und -- wenn die Baumaßnahme umfangreicher gewesen wäre -- auch höhere Fördermittel erhalten hätte.

Da die von der Klägerin durchgeführte Dacheindeckung nach dem verhängten vorläufigen Baustop mit den beteiligten Behörden abgestimmt worden ist, müssen alle dabei entstandenen Kosten als förderfähig angesehen werden. Dafür, daß der Klägerin denkmalschützerische Auflagen gemacht worden wären, die den Fördermittelbetrag im Ergebnis "aufgefressen" hätten, wie die Beklagte behauptet, ist nichts ersichtlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Denkmalschutzbehörde eine Biberschwanzeindeckung zur Auflage gemacht hätte. Die der Klägerin tatsächlich für die Dacheindeckung entstandenen Kosten sind solche Kosten, die ihr entstanden sind, nachdem ihre bereits begonnene Baumaßnahme wegen der Nichtbeteiligung der Denkmalschutzbehörde gestoppt worden ist. Die dann tatsächlich durchgeführte Dacheindeckung wich -- wie sich aus dem Angebot des von der Klägerin beauftragten Dachdeckunternehmens vom 28.2.1997 (Bl. 150-152 d. A.) ergibt -- von der ursprünglichen Planung der Klägerin erheblich ab. Die der Klägerin gemachten Auflagen der Denkmalschutzbehörde vom 9.4.1997 haben das Vorhaben um knapp 23.000,00 DM verteuert. Warum für den Fall der Beantragung von Fördermitteln darüber hinaus gehende weitere Auflagen zu erwarten gewesen wären, hätte die Beklagte näher darlegen müssen. Daran fehlt es.

Gegen den geltend gemachten Zinsanspruch hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1 und 2, 344 ZPO. Dabei hat der Senat dem Umstand Rechnung getragen, daß es der Klägerin erst im Einspruchsverfahren in der Berufungsinstanz gelungen ist, ihren Klageanspruch schlüssig darzulegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Beschwer der Beklagten ist gemäß § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO anzugeben.



Ende der Entscheidung

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